Studie Ökobilanz Pilotphase Kunststoffsammlung Muttenz

25. März 2022
Studie Ökobilanz Pilotphase Kunststoffsammlung Muttenz

Die Ergebnisse der Ökobilanzstudie zeigen zwar einen ökologischen Nutzen der Muttenzer Kunststoffsammlung. Dieser ist jedoch sehr klein im Vergleich zu anderen Möglichkeiten, den persönlichen Fussabdruck zu reduzieren.

Die gemischte Kunststoffsammlung in Muttenz wird seit Mai 2020 auf Antrag der Gemeindeversammlung als Holsammlung mit 35 Liter Säcken in einem Pilotversuch durchgeführt. Für die Auswertung der Pilotphase wurde die Firma Carbotech AG mit einer Ökobilanzstudie spezifisch für die Muttenzer Sammlung beauftragt. Die Studie sollte im Grundsatz folgende Fragen beantworten:
1. Lohnt sich die separate Kunststoffsammlung Muttenz aus ökologischer Sicht?
2. Lohnt sich die separate Kunststoffsammlung Muttenz aus ökonomischer Sicht?
3. Haben andere Szenarien (Bring- statt Holsammlung, anderer Verwertungsweg) einen höheren ökologischen Nutzen als das jetzige Szenario?

Um diese Fragen zu beantworten, wurde eine eigene Analyse der Kunststoffsammelsäcke in Muttenz durchgeführt. An drei Sammeltagen wurden je 50 Kunststoffsammelsäcke aussortiert, verschiedenen Kunststofffraktionen zugeteilt und gewogen. Die Mengen und die sortierten Kunststoffarten dienten als Grundlage für die Ökobilanzrechnung. Die Bewertung der Umweltauswirkungen erfolgte mit der Methode der ökologischen Knappheit (MöK). Als Referenzszenario diente die Verbrennung der Kunststoffe in der Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) Basel. Der Umweltnutzen wird als Einsparung von Umweltbelastungspunkten (UBP) ausgedrückt.

Ergebnisse Ökobilanz
Die Ergebnisse der Sortierung zeigen eine sehr gute Sammelqualität. Die Sammelsäcke enthielten lediglich 1.5% Fremdstoffe. 60% der Stoffe konnten allerdings keiner spezifischen Kunststoffart zugeordnet werden, rund 25% davon können erfahrungsgemäss problematische Additive (Weichmacher, Brandschutzmittel, Stabilisatoren) enthalten. Diese Stoffe sind zum Beispiel in Büromaterialien oder Gartenmöbeln, aber auch in Kinderspielsachen zu finden. Im Recycling sind diese Stoffe problematisch, da sie im Stoffkreislauf verbleiben und damit in die Umwelt gelangen können.

Bei den geprüften Szenarien der Ökobilanzstudie (Bring- oder Holsammlung, Entsorgung der Reststoffe in einem Zementwerk oder in der Kehrichtverwertungsanlage) resultiert unter den getroffenen Annahmen ein unterschiedlich grosser ökologischer Nutzen der Kunststoffsammlung in Muttenz. Die Verwertung der Reststoffe in einem Zementwerk ergeben dabei jeweils einen höheren ökologischen Nutzen als die thermische Verwertung in der KVA Basel. Im Durchschnitt werden die Reststoffe zu 75% in Zementwerken und zu 25% in KVA’s energetisch verwertet. Die Muttenzer Kunststoffsammlung ergibt einen Umweltnutzen von ca. 1.35 Mio. UBP pro Tonne.

Was bedeutet dieser ökologische Nutzen für die Bevölkerung von Muttenz?
Ein Vergleich: Wenn eine vierköpfige Familie in Muttenz ein Jahr lang Kunststoffe sammelt und alle vier Wochen einen 35 Liter Sack füllt, spart sie in diesem Jahr ca. 25'000 UBP ein. Die gleiche Einsparung könnte die Familie erreichen, indem sie auf den Konsum von 220 Gramm Rindfleisch (55 Gramm/Person) oder eine Autofahrt von knapp 50 km verzichtet. Mit der separaten Kunststoffsammlung kann ein äusserst bescheidener ökologischer Nutzen erreicht werden, womit die erste Frage beantwortet wäre.

Mengen- und Kostenauswertung
Die aktuelle Sammelmenge beläuft sich auf 60 Tonnen Kunststoff pro Jahr und liegt damit unter der ursprünglich erwarteten Sammelmenge. Durch die Sortierung der insgesamt 150 Sammelsäcke konnte das durchschnittliche Gewicht eines Kunststoffsammelsacks von 1.5 kg pro 35 Liter Sack ermittelt und mit den nun vorhandenen Daten eine relativ genaue Kostenanalyse der Kunststoffsammlung während der Pilotphase durchgeführt werden. Die Gebühreneinnahmen der Gemeinde belaufen sich auf CHF 0.82 pro Kunststoffsammelsack (Verkaufspreis von CHF 1.20 abzüglich MwSt., Provision, Produktion und Logistik). Mit diesen Gebühreneinnahmen kann zurzeit lediglich eine Kostendeckung von 45% erreicht werden. Bei der aktuellen Sammelmenge resultiert demnach ein Defizit von jährlich CHF 40'000 für die Kunststoffsammlung. Für eine vollständige Kostendeckung müsste der Verkaufspreis pro Sack verdoppelt werden und würde bei CHF 2.40 liegen.

Kostenanalyse der IST-Situation Kunststoffsammlung:

  Ausgaben(-)/Einnahmen(+) (alles exkl. MwSt.)    
  pro Tonne Pro 35l Sack Jahr
Transport 913.34 1.37 -54'800.20
Weiterverarbeitung 304.00 0.46 -18'240.00
Gebühreneinnahmen* -546.00 -0.82  32'760.00
Nettokosten Kunststoffsammlung 671.34 1.01 -40'280.20

 *Verkaufspreis pro Sack inkl. MwSt., Provision, Produktion, Logistik CHF 1.20

Ökoeffizienz der Kunststoffsammlung
Die Ökoeffizienz (Kennzahl SEBI) vergleicht den ökologischen Nutzen mit der Wirtschaftlichkeit der Massnahme und ist ein Mass für den ökologischen Nutzen pro eingesetzten Franken (eingesparte UBP/CHF). Die Muttenzer Kunststoffsammlung hat dabei eine tiefe Ökoeffizienz im Vergleich zu anderen Recyclingsystemen wie PET-Flaschen, Aludosen oder Elektrogeräten, d.h. es entstehen relativ hohe Kosten für die eingesparte Umweltbelastung.

Zusammengefasst kann gesagt werden, dass die separate Kunststoffsammlung in Muttenz insgesamt bei allen betrachteten Szenarien zwar einen ökologischen Nutzen aufweist, dieser aber gering ist. Die hohen Kosten der Kunststoffsammlung führen zu einer schlechten Ökoeffizienz und mit den gegenwärtigen Preisen zu einer hohen Zusatzbelastung in der Spezialfinanzierung Abfall. Damit wäre auch die zweite Frage beantwortet: Aus ökonomischer Sicht weist die separate Kunststoffsammlung eine negative Bilanz aus.

Bedeutung des Sammelsystems und der Verwertungswege
Neben dem aktuellen Szenario, Holsammlung und Verwertung bei Vogt Plastic in Rheinfelden Deutschland, wurden in der Ökobilanzstudie alternative Entsorgungswege geprüft (Bring- statt Holsammlung, Verwertung bei anderen bekannten Recyclingunternehmen). Alle geprüften Szenarien ergaben einen vergleichbaren ökologischen Nutzen. Damit wäre auch die dritte Frage beantwortet: Ein alternatives Sammelszenario (Bringsammlung oder andere Recyclingfirma) ergibt keinen nennbaren höheren ökologischen Nutzen.

Der vollständige Bericht der Firma Carbotech AG «Nutzen der Kunststoffsammlung und - verwertung in Muttenz» ist unten angehängt.

Die Ökobilanz ist ein Verfahren, um die Umweltauswirkungen menschlichen Handelns möglichst umfassend zu erfassen und zu bewerten. Ursprünglich vor allem zur Bewertung von Produkten entwickelt, wird sie heute auch bei Verfahren, Dienstleistungen und Verhaltensweisen sowie für Firmen und Institutionen angewendet.


Ökologische Knappheit
Die Methode der ökologischen Knappheit, eine Methode, welche im Auftrag des BAFU entwickelt wurde, berücksichtigt ein breites Spektrum von Umweltbelastungen und fasst diese durch Vollaggregation in einer Kennzahl zusammen. Das Ergebnis sind Umweltbelastungspunkte (UBP). Zentrale Grösse der Methode sind Ökofaktoren, welche die Umweltbelastung pro Mengeneinheit angeben. Der Ökofaktor eines Stoffes leitet sich aus der Gesetzgebung oder entsprechenden politischen Zielen ab. Je mehr die aktuellen Emissionen resp. der Ressourcenverbrauch das gesetzte Umweltschutz-Ziel überschreiten, desto grösser wird der Ökofaktor, ausgedrückt in UBP. Um die Ökobilanzresultate einzuordnen, führt die Firma Carbotech eine Liste der Umweltbelastung von alltäglichen Produkten oder Tätigkeiten unter https://carbotech.ch/projekte/bedeutung-von-1000-ubp-umweltbelastungspunkte/.

Die Ökoeffizienz vergleicht den ökologischen Nutzen mit der Wirtschaftlichkeit einer Massnahme, indem sie den ökologischen Nutzen ins Verhältnis setzt zu den zusätzlichen Kosten für die Vermeidung der Umweltauswirkungen gegenüber einem Referenzszenario. Damit kann gemessen werden, ob die finanziellen Mittel aus ökologischer Sicht effizient eingesetzt sind.

Ökoeffizienz ausgewählter Recyclingsysteme

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