Mit der heiligen Barbara unter der Hüslimattstrasse

11. Juni 2019
Zentimeter um Zentimeter erhält der Dorfbach eine neue Ableitung. Die eindrücklichen Arbeiten verlangen den Beteiligten einiges ab. Ein Baustellenbesuch.

Flink klettert Mario Tufilli aus dem sieben Meter tiefen Schacht die Leiter hoch. Fast hätte ein Einfamilienhäuschen dort unten Platz. Der Vorarbeiter macht Pause und nutzt sie, um etwas von der Junisonne zu erhaschen. Schon bald ruft wieder der Stollen – im wahrsten Sinne des Wortes. Tufilli ist einer von jeweils drei bis vier Arbeitern, die auf beachtliche Art und Weise die neue Ableitung des Dorfbachs zwischen dem Einlaufbauwerk und der bestehenden Leitung in der Oberdorfstrasse bauen. Rund 180 Meter lang wird der Abschnitt sein, einen Innendurchmesser von 160 Zentimetern haben und etwa sieben Meter unter der Hüslimattstrasse verlaufen. «Diese Tiefe ist notwendig, damit das Wasser ohne Druck im freien Gefälle fliessen kann», erklärt Andy Gössi, Gesamtprojektleiter der Gemeinde. Im Tagebau wäre das nur mit unverhältnismässigem Aufwand zu bewerkstelligen. «Weil ein konventioneller Leitungsgraben grosse Teile des Strassenquerschnitts einnehmen würde, hätten die Anwohnerinnen und Anwohner monatelang sehr starke Einschränkungen bezüglich der Zufahrt zu ihren Liegenschaften in Kauf nehmen müssen», so Gössi. Deshalb gräbt sich Mario Tufilli mit seinen Kollegen im sogenannten Pressrohrvortriebsverfahren fernab von Tageslicht und neugierigen Blicken durch den lehmig-tonigen Untergrund.

Vorwärts dank 500 Tonnen Druck
Ausgangspunkt ist der grosse Schacht auf halber Strecke. Von seiner Basis her stossen die Arbeiter mit Hilfe eines Hydraulikaggregats nach und nach die tonnenschweren Rohrelemente durch das Erdreich. In einer ersten und bereits abgeschlossenen Etappe talwärts Richtung Oberdorf, jetzt in entgegengesetzter Richtung zum Einlaufbauwerk. «Mein Arbeitsplatz ist an der Spitze des Pressrohrvortriebs. Dort baue ich, immer tiefer im Tunnel und im Schutz des Richtschilds, mit einem Baggerarm das Erdreich ab und bahne damit den weiteren Weg», beschreibt der Vorarbeiter. Dabei kann er durchaus auf unliebsame Überraschungen treffen. Wenn etwa Gestein im Weg ist. «Bei diesem Projekt bescherte uns eindringendes Hangwasser Zusatzaufwand. Während mehrerer Tage mussten wir es abpumpen», ergänzt Tufilli. Hat er sich wieder vorgearbeitet, stossen die vier Hauptpressen mit einer Druckleistung von 1'200 Tonnen ein Stück Rohr nach. «Schon während ich baggere, gelangt das Abbaumaterial über ein Förderband in den Schacht und von dort mit dem Portalkran hoch zum Abtransport», sagt der Vorarbeiter, der über eine Lüftung kontinuierlich mit frischem Sauerstoff versorgt wird.

Besserer Hochwasserschutz

Wie das 2018 fertiggestellte Einlauf- und Rechenbauwerk ist auch die neue Bachableitung Hüslimatt Teil des generellen Entwässerungsplans (GEP). Sie sorgt künftig dafür, dass Bachwasser bei zu grosser Menge nicht mehr zusätzlich über die Kanalisation abgeleitet werden muss, denn das erschwert den effizienten Betrieb der Abwasser-reinigungsanlage. Zudem wurde im Zuge der Analyse der Über-schwemmungen von 2016 die geplante Abflusskapazität erhöht und der Hochwasserschutz signifikant verbessert. Über zusätzliche Schritte informiert die Arbeitsgruppe Hochwasser im Muttenzer Anzeiger vom 28. Juni 2019 und auf der Webseite der Gemeinde: www.muttenz.ch > Aktuelle Politthemen > Hochwasser.

Mit Unterstützung von Oben
Gesellschaft leistet den Bauarbeitern in einer liebevoll gestalteten Nische eine kleine Statue der heiligen Barbara, Schutzpatronin der Bergleute. «Das gehört einfach dazu», meint Tufilli schmunzelnd. Seit 32 Jahren arbeitet er auf dem Bau und kennt jeden Handgriff. Trotz Erfahrung und «Hilfe von Oben» schätzt er die technologische Unterstützung. So überprüft ein Geometer mittels modernster Laser-Messtechnik regelmässig die Richtung des Pressrohrvortriebs. «Schliesslich müssen wir punktgenau in den Zielschächten mit den Anschlüssen landen», erklärt er. «Je weiter wir vorgedrungen sind, umso mehr Tonnen Erdreich lasten auf der Leitung und umso schwerfälliger reagiert sie auf Gegendruck nach links oder rechts, nach oben oder unten.» Pro Tag schaffen die Arbeiter ein Vortrieb von zirka drei bis vier Metern Länge. Die erste Hälfte passt zielgenau, und Ende Sommer sollte der letzte Zentimeter verlegt sein. Dann folgen die Anschlussarbeiten an die bestehende Abflussleitung im Oberdorf resp. an das Einlaufbauwerk. Tufilli wird dann bereits unter einer anderen Strasse graben.

Beteiligte:

  • Gesamtkoordination: Gemeinde Muttenz, Bauverwaltung, Abteilung Tiefbau
  • Planung und Bauleitung: gsi Bau- und Wirtschaftsingenieure AG, Basel
  • Ausführung Pressrohrvortrieb: Grund- und Tiefbau AG, Pratteln
  • Begleitende Vermessungsarbeiten: Jermann Ingenieure + Geometer AG, Arlesheim

 

 

 

Heilige Barbara