Muskas Kampf für ein besseres Leben

26. Juli 2021

Die Gemeinde Muttenz begleitet viele junge Geflüchtete während ihrer Lehre. Dieses Jahr haben 16 von ihnen den Lehrabschluss geschafft. Eine von ihnen ist Muska Sharifi.

Es war ein Tag Ende Juni, Mittagszeit. Muska Sharifi war nervös, die Nacht davor hatte sie kaum geschlafen. Zu gross war die Anspannung bei der zierlichen, jungen Frau, zu nagend die Sorge, es doch nicht geschafft zu haben. Es war der Tag, an dem 19 junge Asylsuchende aus Muttenz erfahren sollten, ob sie die Lehrabschlussprüfung bestanden haben oder nicht. Dann die Gewissheit: 16 von ihnen haben es geschafft, unter ihnen war auch Muska. Die 20-Jährige hat das Diplom mit einer guten Note bekommen. "Die Erleichterung war wirklich gross", sagt sie. Muska, die ihre zweijährige Lehre im avec-Shop beim Bahnhof Muttenz absolviert hat, sitzt im Freien, als sie davon erzählt. Sie hat ein offenes Gesicht, ein freundliches Lächeln.

Aber nicht alle Momente im Leben der jungen Frau waren einfach. Nach einer behüteten Kindheit in Kabul, der Hauptstadt Afghanistans, musste die Familie flüchten. Die damals 14-Jährige wurde plötzlich aus allem herausgerissen. Ein Jahr lang war sie mit den Eltern und ihren Geschwistern unterwegs, über Pakistan, den Iran, die Türkei, dann von Griechenland über die Balkanroute in die Schweiz. Es war eine harte Zeit, die Familie musste oft zu Fuss vorankommen, auch nachdem Muska sich im Iran den Fuss gebrochen hatte. "Es war einfach alles zu viel", sagt sie.

Nach mehreren Stationen in der Schweiz, unter anderem in Reigoldswil, wo sie zur Schule ging und Deutsch lernte, fand sie dann aber zusammen mit ihrer Familie in Muttenz ein neues Daheim. Sie fühlt sich wohl hier, kennt viele Leute. "Als Angestellte im Bahnhof-Shop hat man fast jedes Gesicht aus dem Ort schon einmal gesehen", sagt sie und lacht. Dieses Lachen wird ihr nicht so schnell vergehen, da ist sie sicher. Auch wenn sie trotz 14 Bewerbungen bis jetzt noch keine Stelle gefunden hat. "Aber ich kämpfe weiter, das habe ich immer getan. Und schliesslich werde ich eine Stelle bekommen, daran glaube ich fest."

Auch die Lehrstellensuche sei eine Herausforderung gewesen. Sie erzählt vom schlimmsten Moment damals. Als sie als 16-jähriges Mädchen mit einer Bewerbung in der Hand und noch wenigen Deutschkenntnissen bei einem Detailhändler wegen einer Lehrstelle anklopfte. "Der Mann dort weigerte sich, mit mir Hochdeutsch zu sprechen, Schweizerdeutsch sei im Verkauf Bedingung. Dann schickte er mich weg, er nahm meine Bewerbung nicht einmal entgegen", sagt sie. "Kaum war ich draussen, kamen mir die Tränen."

Durch die Arbeit im Verkauf haben sich die Sprachkenntnisse deutlich gebessert. Und mit Unterstützung der Gemeinde Muttenz kann Muska weiter an ihrem Deutsch feilen. "Sprachprobleme sind wohl die grösste Hürde für viele Asylsuchende bei der Lehrstellen- und Jobsuche", sagt Asylbetreuer Thomas Haug von der Gemeinde Muttenz. Sein Ziel ist es, die rund 100 geflüchteten Familien und Einzelpersonen mit Wohnsitz in Muttenz sozial und wirtschaftlich zu integrieren, solange der Bund dafür Mittel zur Verfügung stellt. Bis vor Kurzem begleitete er 46 Lehrlinge, seit Juni sind es 19 weniger. Von einigen hört er nur wenig, andere rufen ihn zweimal pro Woche an, weil sie Hilfe suchen. Dann nimmt Haug sich Zeit. Er vermittelt Deutschkurse, professionelle Lerncoachings oder auch ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, die die Asylsuchenden unterstützen. Die eigenen Eltern sind dazu häufig nicht in der Lage, da sie selbst wenig Deutsch sprechen und manchmal kaum Schulbildung mitbringen. Regelmässig leistet Haug auch ganz praktische Hilfe, etwa wenn einer anruft und fragt, ob er den 13. Monatslohn behalten dürfe. Oder was man bei einer zweiten Mahnung machen solle. Wo nötig, übt Haug auch Druck aus. "Wenn jemand nicht vorwärts macht, kann ich schon streng sein."

Dass so viele dieses Jahr den Lehrabschluss geschafft haben, macht ihn stolz. "Nicht auf mich, auf euch", sagt er und blickt zu Muska. Dann holt er in seinem Büro das Formular für ihren voraussichtlich letzten Deutschkurs. Damit sie weiterkämpfen kann.

Auf der Gemeinde Muttenz freut man sich mit den Asylsuchenden, die ihren Lehrabschluss bestanden haben
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